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Der versteinerte Heuschober SAGE aus dem Mondseeland V 18 VOLLMOND 2/2024 or vielen Jahren trieb sich auf der Egger Hochflä- che häufig der Leibhaftige herum. Aus den Steinen der Kienbergwand gewann der böse Bube Mehl und buk sich heimlich in den Mühlen der Gegenden golde- ne Taler daraus. Dies gelang ihm aber nicht, weil die Geldstücke aus fal- schem Gold waren und durch das graue Steinmehl nie rich- tig glänzten. Als der Höllen- fürst wieder einmal falsche Goldstücke in hell glucksen- des Gewässer warf, hörte er vom nahen Felde Stimmen. In der spätsommerlichen Schwüle waren viele fleißi- ge Hände bemüht das Heu einzubringen. Nachdem der Großteil der Fuhre am Bau- ernhof abgeladen war, schick- te der Bauer die Magd neuer- lich auf das Feld hinaus um es vor dem nahenden Gewit- ter noch fertig zu rechen. Am Steintrog saß der schwefelige Schlaufkopf und warf ver- meintliche Goldstücke in den Brunnen. Der Höllenfürst sah die Magd und überlegte bei sich: „Vielleicht werden mei- ne Taler goldglänzend, wenn sie einmal von einer tüch- tigen Jungfrau gewaschen werden?“ Zur Magd rief er: „Wollen wir unsere Arbeit tauschen? Du wäscht mir bis zum Abendgeläut meine Geldstücke, ich aber türm die Haufen auf. Wenn der Glanz dieser Goldstücke mich am Felde früher blendet, als ich wieder hier am Brunnen bin, hast du gewonnen! Schaffst du es aber nicht vor meiner Rückkehr, musst du mir dein ganzes Leben lang Taler säu- bern!“ Schon ermüdet von der Hitze des Tages dachte die Magd an die Kühle beim Brunnen und ging auf die Wette ein. Wie von Zauber- hand geführt, schleuderte der Höllenbruder den Rechen aus und in Windeseile fegte er wie ein Sturm über die Stop- pelwiese. Auch die Magd be- gann mit dem kalten Wasser die Metallstücke zu säubern. Es war schon später Nach- mittag als die Magd merkte, egal wieviel sie putzte das Metall fing nicht an zu glän- zen. In großer Verzweiflung lief sie in ihre Kammer und holte ein Kästchen mit Glas- perlen und leerte sie auf die matten Goldstücke. Gerade als der Teufel schweißtrie- fend und siegessicher den schmalen Schotterweg zum Bauhofgut heraufeilte, be- strahlte die Sonne mit ihrem letzten Goldlicht das Häuflein der Glaskugeln. Sie glänzten wunderschön und der schwe- felige Kerl erkannte, dass er sein böses Spiel verloren hat- te. Als er jedoch näher kam, bemerkte er den Betrug. Wut- entbrannt fegte er auf einer Schwefelwolke zu den Fel- dern hinunter und zerfetzte mit bloßen Händen alle auf- getürmten Haufen. Er türmte einen gewaltigen Klotz aus Heu auf und fuhr mit einer Holzgabel unter den gewal- tigen Schober und wirbelte diesen weit durch die Luft. Sobald Staub und Gestank verzogen waren, konnte man inmitten der Egger Wald- landschaft einen aus Heu zu Stein gewordenen Schober erkennen. Seit diesem Ereig- nis wacht nun der bizarre und geheimnisvolle Felsriese, wie ein gütiger König, über Täler, Wiesen und Seen des Vor- alpenlandes und erhielt, wie könnte es anders sein, den Namen Schober. Sage aus dem Buch: Goldbrünnlein und Drachen- wand. Illustrationen Heilgard Maria Bertel, Herausgeber, Verleger Prof. MMag. DDr. Bernhard Balthasar Iglhauser, Verkauf: im Gemeindeamt Thalgau

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